Aufstieg des 1. FC Köln: Kölner Kompetenzvakuum
Der 1. FC Köln steigt als Zweitligameister in die Bundesliga auf. Wie es weitergeht und ob Trainer Friedhelm Funkel bleiben darf, ist völlig unklar.
Funkel sei „topfit, da ist kein Gramm Fett dran, der kann feiern wie ein Biest“, erwiderte Lieberknecht, also: „Macht die Schatulle auf und haltet den hier fest.“ Das war ein schlauer Kommentar in einem Moment, in dem es den Kölnern schwerfiel, derart wichtige Fragen mit klarem Verstand zu diskutieren.
Draußen hatten die Mannschaft und die Fans sich auf sehr kölnische Art in den Armen gelegen und das Lied „Tommi“ von Annenmaykantereit gesungen. Eine Hymne voller Melancholie und Liebe zu dieser Stadt, die seit zwei Wochen ihrem Friedhelm zu Füßen liegt.
Weil der Altmeister der Trainerkunst seit seinem abermaligen Auftauchen am Geißbockheim jederzeit den Eindruck vermittelte, die richtige Lösung zu kennen, und eine furchtbar verkrampfte Mannschaft von ihren Ängsten befreit hat. Es sei Funkel gelungen, eine „gewisse Spielfreude reinzukriegen, ein bisschen Freiheit“, sagte der Kölner Stürmer Luca Waldschmidt nach dem 4:0 zum Saisonabschluss gegen Kaiserslautern.
Funkel ist „ für alles offen“
Mit viel Weisheit hat der Trainer nebenbei den schwierigen Fall des unter starkem Alkoholeinfluss in eine Schlägerei verwickelten Torjägers Tim Lemperle moderiert. Und weil die Kölner nach zwei Funkel-Siegen letztlich souverän in die Bundesliga zurückgekehrt und auch noch Zweitligameister geworden sind, ist die Frage, ob Funkel weitermacht, nicht nur fachlich herausfordernd, sondern auch eine Angelegenheit der Herzen.
Der Trainer selbst wäre bereit, das war nicht zu überhören inmitten der Feierlichkeiten vom Sonntagabend. Zunächst dankte er zwar seinem vor zwei Wochen entlassenen Vorgänger Gerhard Struber, der „einen viel größeren Anteil“ an diesem Erfolg habe, weil die Tabellensituation günstig und „die Mannschaft in einem hervorragenden Zustand war“.
Als er dann jedoch explizit auf seine eigenen Zukunftswünsche angesprochen wurde, erwiderte Funkel: „Jeder weiß, wie ich zu diesem Verein stehe. Wir sind aufgestiegen und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.“ Und: „Ich bin für alles offen, möglicherweise auch dafür, weiterzumachen. Ich kann mir das vorstellen.“
Das war ein eindeutiges Bewerbungsstatement, mit dem die Vereinsführung nun arbeiten muss. Wobei gar nicht so klar sichtbar ist, wer gerade die wichtigen Zukunftsentscheidungen trifft. Thomas Kessler, der vormalige Leiter des Lizenzspielerbereichs, ist seit der Entlassung von Sport-Geschäftsführer Christian Keller Interimssportchef. Darüber im Organigramm ist das Präsidium angesiedelt, dem es jedoch an Fachkenntnissen im Segment des Sports mangelt und das außerdem im September abtreten muss, weil es nicht noch einmal zur Wahl zugelassen wird.
Das starke Bedürfnis nach einem Retter
Von einem Machtvakuum zu sprechen, ginge zu weit, aber ein Kompetenzvakuum ist in jedem Fall vorhanden. „Ab morgen fangen wir an, darüber nachzudenken, wie die Zukunft aussieht“, sagte Präsident Werner Wolf-Kessler, er könne zur Trainerfrage vorerst „überhaupt nichts sagen“. Nur: „Wir sind Friedhelm brutal dankbar, dass er das geschafft hat in den 14 Tagen. Jetzt schauen wir mal, wie es weitergeht.“
Wahrscheinlich ist es klug, an diesem Punkt nichts zu überstürzen, zumal es sich bei Köln um einen Fußballstandort handelt, an dem es traditionell ein sehr starkes Bedürfnis nach dem großen Retter gibt. Nach einem Mann, der den Verein aus seinem harten Schicksal befreit und dauerhaft zu einem Bundesligisten mit internationalen Ambitionen macht. Wolfgang Overath hat das versucht, Christoph Daum auch, Lukas Podolski war der Prinz, der alle glücklich machen sollte. Sogar Ewald Lienen wurde hier schon zum „heiligen Ewald“ erklärt. Und jetzt also der gute Friedhelm?
Zu den Errungenschaften der jüngeren Vergangenheit gehört, dass die Kölner sich auf dieser Ebene professionalisiert haben. Auch der im Mai entlassene Geschäftsführer Christian Keller hat einen Kampf gegen die Kölner Neigung zum Irrationalen geführt und außerdem die Klubfinanzen saniert. Noch vor wenigen Wochen betonte er, dass der FC im Aufstiegsfall wirtschaftlich über so gute Voraussetzungen für den Aufbruch in eine dauerhaft erfolgreiche Zukunft verfüge wie seit 35 Jahren nicht mehr.
In der kommenden Saison lässt sich ohne Risiko ein Etat von über 50 Millionen Euro finanzieren, 2026 ist der Klub endgültig schuldenfrei, und teure Vermarktungsverträge enden. Es gibt also Spielräume, die Mannschaft klug weiterzuentwickeln. Auch der Nachwuchs blüht: Wenige Stunden vor dem Aufstieg wurde die U19 durch ein spektakuläres 5:4 gegen Leverkusen Deutscher Meister. Noch besser sei sogar die U17, sagen manche im Klub.
Das Geißbockheim wurde modernisiert, genau wie die Scouting-Abteilung. Unklar ist nun, wer auf diesen Grundlagen nachhaltige Bundesligaerfolge bewerkstelligen soll. Funkel? Kessler? Wer wird neuer Sportgeschäftsführer? Und wen schlägt der Mitgliederrat zur Besetzung des künftigen Präsidiums vor, das im September gewählt wird? Der gute, alte FC ist aufgestiegen, aber als geordneter Klub mit klaren Perspektiven beginnen die Kölner ihr nächstes Bundesligakapitel wieder einmal nicht.
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